Kolumne: Der blöde Norden
Autor: Provinzpapst
Im IC. Wiesen, Zäune. Rasen vorbei. Gelegentlich ein Baum. Wiesen, Zäune. Schweinehotels und Puten-Herbergen. Natur und tierliebe Menschen. Wieder ein Baum. Einer baumelt daran. Wir sind in Niedersachsen.
Jeder anständige Schleswig-Holsteiner hat was gegen Niedersachsen.
Ein Gefühl unbegründeter Überlegenheit, das ihm die Kehle zuschnürt, wenn er mit dem Intercity auf dem Weg nach Frankfurt an Meckelfeld vorbeirauscht. Hamburg liegt dann hinter, Niedersachsen vor ihm. Er reist von Nord nach Süd, was schon prinzipiell gegen die Ehre des Schleswig-Holsteiners geht, Fahnenflucht, Landesverrat, das sind so die Begriffe, die mir dazu einfallen.
Als Norddeutsche leben wir in einem Land, das von sich weiß: Hier ist “Der echte Norden”. Ein Süddeutscher hört in diesem Slogan die pure Verzweiflung einer wirtschaftlich stark benachteiligten Region, die hektisch an der Brust des Länderfinanzausgleichs nuckelt. Der Süddeutsche sagt: “Schatz, lass uns mal mit dem Wohnmobil an die Otsee fahren, die können das Geld gut brauchen. Ich glaub, außer Tourismus haben die da nix.”.
Dann lachen beide und buchen Mallorca. Wo das Hinterland so schön sein soll.
Aber wir wissen: Was die bösen Hottentotten denken, ist nicht wahr. Dieser Claim ist der geistige Höhepunkt unseres kreativen Schaffens und Ausdruck unseres einzigartigen Charakters: “Der echte Norden”.
Ich höre, einige finden ihn peinlich. Es sind Menschen, die nicht wissen, wie es hätte kommen können. Nach 10-jähriger Entwicklungszeit lagen auch Lösungen auf dem Tisch wie “Oben is manchmal auch unten, je nachdem, von wo man grade gucken tut!” und “Schleswig-Holstein – Gehts noch?” Bis zuletzt gab es noch eine knappe Mehrheit für den Claim “Der blöde Norden”.
Sowohl Werbeagenturen als auch Politiker waren hier lange von der Außenwelt abgeschnitten und wissen seitdem: “Völlig egal, man muss einen Slogan nur immer wiederholen, irgendwann wird der wahr.”
“Der echte Norden”.
Da komme ich her und sitze in einem Intercity, der in Richtung Süden fährt. Durch den falschen Norden. DAS ist das Problem.
Und gleich bei Meckelfeld kommt dann das Schild: “Niedersachsen – Immer eine gute Idee.” Ich muss mir an dieser Stelle jedes Mal mit der flachen Hand an den Kopf schlagen. Aber so, dass es klatscht. Da dreht sich der nächste Nachbar zu mir um und sieht mich verständnislos an. Es ist klar: Der muss Niedersachse sein. Und an dieser Stelle sage ich diesem Nachbarn, diesem falschen Nordmann ganz sachlich, völlig ohne Emotion:
“Niedersachsen ist nie eine gute Idee. Niedersachsen ist einfach stinklangweilig. Punkt.”
Dann bis drei zählen. Dafür brauchen Niedersachsen länger als wir, weshalb ich früher fertig bin und sage:
“Gegenargumente? Keine? Danke!”
Das ist eben so, wenn man wasserdicht recherchiert hat. Wer soll da Gegenargumente haben?
Jaja, ich weiß, der Harz, Berge hoch und runter, ostfriesische Inseln, Wattwürmer, toll, aber inzwischen weiß jeder: Oliver Pocher und Christian Wulff sind in Niedersachsen geboren, auch Lena Meyer-Landruth und Robert Koch, der nicht mal singen kann und nur noch nervt, seitdem er dieses Institut gegründet hat. Die Tarnung ist aufgeflogen.
Ich greife mit meinen echten nordischen Fischfingern mein Handy und mache ein Foto von Niedersachsen. Eines wie alle. Könnte in Südniedersachsen sein. Oder Westniedersachsen. Oder Niederniedersachsen. Völlig egal. Ich mache eins im Hochformat, dann eins im Querformat, tut sich nichts, gucken Sie mal.
Alles gleich. Alles Niedersachsen. Ist ja bei uns schon so ein Spruch für “Ist mir doch egal!”
“Is mir doch völlig Niedersachsen.”
Und dann schreibe ich auf das Foto den Spruch, der wirklich zu Niedersachsen passt. Hätten sie mal einen von uns fragen sollen. Einen von den echten. Wir wissen, wie man gute Claims macht.