Die legendäre Fake-Fakt-Sanierungsbroschüre

Autor: Provinzpapst

01. Feb. 2021

Die Gemeindewerke Heikendorf veröffentlichen eine Broschüre zum Thema Hafensanierung und legt sie dem amtlichen Bekanntmachungsblatt, dem “Heikendorfer Anzeiger” vom Januar (01/2021) bei. Manche lesen nur die erste Seite, manche blättern begeistert, viele starren sie minutenlang ungläubig an, einige tagelang.

Wer kennt sich denn mit sowas aus?

Das Schreiben kommt von höchster Heikendorfer Stelle: Redaktionell zeichnen der Geschäftsführer der Gemeindewerke Heikendorf (GWH), Tim Lüdemann und der amtierende Bürgermeister der Gemeinde, Tade Peetz, verantwortlich.

Viele werfen einen Blick aufs Blatt und übereignen es dann der Tonne. Das Thema Hafensanierung beschäftigt die meisten Bürger/innen der Gemeinde nur am Rande.

Sie sind keine Hafenbauer. Ob eine Sanierung notwendig ist, wenn ja, in welchem Umfang, was wirtschaftlich und sinnvoll ist, was nicht, welche Folgen eine Sanierung für Hafennutzer hat, inwiefern sich das Hafenbild, die Atmosphäre / Anmutung des Hafens verändert, wer kann das schon beurteilen? Ich nicht. Und wollte es auch nicht wissen. Zu kompliziert. 

Immerhin: Ich weiß von einer Unterschriftenliste der Initiative “SOS Möltenorter Hafen” gegen die Sanierung. Die Verantwortlichen haben einen schweren Stand: Sie wollen uns etwas erklären, wovon wir keine Ahnung haben und auch nicht zwingend brauchen.

Die Aufklärungs-Broschüre

Ich hätte mich mit dem Thema auch nicht weiter beschäftigt. Doch dann kam die Broschüre, die mir und den anderen Bürgerinnen und Bürgern Heikendorfs Aufklärung versprach.
Ob diesem Versprechen nachgekommen wurde, kann ich allerdings gut beurteilen.

Information oder Werbung?

Die Broschüre trägt den Untertitel „Fakten zur Zukunftsplanung“. Sie möchte den Eindruck erwecken, es handele sich um eine Informationsbroschüre. Herr Lüdemann und Herr Peetz gehen zum einen davon aus, die Leser / innen könnten Information nicht von Werbung unterscheiden, zum anderen sind sie zuversichtlich, dieser Unterschied falle in ihrer Broschüre nicht auf. Das macht neugierig.

Fake / Fakt

Kern des Flyers ist eine Fake-Fakt Tabelle. Darin werden unter „Fake“ Statements aufgelistet, die schon durch die Überschrift „Fake“ diskreditiert werden sollen. Es findet sich allerdings keine Information darüber, wer diese wann, wo und in welchem Zusammenhang abgegeben haben soll. Man darf raten. Also stehen auf der einen Seite weitgehend unbelegte Behauptungen ohne Quellenangabe, die als „Fake“ gekennzeichnet sind, auf der anderen Seite weitgehend unbelegte Behauptungen Ihrer Seite, die als „Fakt“ gekennzeichnet sind. Die einzelnen Behauptungen können frei zwischen den Rubriken Fake und Fakt ausgetauscht werden, der kaum vorhandene Informationsgehalt ändert sich dadurch nicht.

Denn die Behauptungen bleiben, was sie sind: Unbelegt.

Nun ist diese Art von Fake-Fakt-Bingo zurzeit sehr beliebt, einen Großteil hat der gerade abgewählte US-Präsident dazu beigetragen. Üblicherweise nutzen Verantwortliche dieses Mittel, um fehlende Glaubwürdigkeit zu verdecken – andernfalls hätten sie es nicht nötig und könnten sachlich, differenziert und quellengestützt ihre Argumente vorbringen.
Ich bin kein Freund davon, wenn Menschen jede neue Mode mitmachen, nur weil sie eben neu und gerade angesagt ist. Andererseits kann ich verstehen, wenn man, wie die Verfasser hier, der Versuchung erliegen, im eigenen Interesse komplizierte Sachverhalte in der Öffentlichkeit grob zu vereinfachen. Ein Fake-Fakt-Bingo beeindruckt ob seiner scheinbaren Klarheit, setzt blindes Vertrauen der Zielgruppe voraus, braucht so keinerlei Belege und hat für viele hohen Überzeugungswert. Menschen lieben Einfachheit in dieser komplizierten Welt.
Und, wie ich höre, ist das Konzept auch hier, zumindest teilweise, erfolgreich gewesen.

Im weiteren Verlauf begegnen den Lesern/innen dann allerlei bunte Worthülsen aus der Luftnummernfabrik der Werbebranche: „…zukunftsfähige Konzepte…“, „…attraktives Hafenumfeld…“, „…Genuss einer zuverlässigen, preisbewussten und nachhaltigen Versorgung…“, „…zukunftsfähigen, schönen und sicheren Hafen…“ „…attraktiver, lebendiger und interessanter…“  „…geliebtes Flair…““…modernes, zukunftsweisendes Gesamtensemble…“ „den Erfolg des Unternehmens Gemeindewerke zu sichern…“ „…Transparenz, gesicherte Planungen und einen lösungsorientierten und respektvollen Umgang…“ u.s.w.u.s.f.
In der Fachwelt bekannte sprachliche Framingversuche, die nicht informieren, sondern manipulieren wollen.

Nun gut. Es werden in der Broschüre schließlich „Transparenz, gesicherte Planung und lösungsorientierter Umgang“ versprochen und aufgefordert: „Deshalb informieren Sie sich jetzt und richtig!“
Diesem freundlichen Befehl wollte ich mich nun ungern widersetzen und bin dem Barcode gefolgt:

„Einfach einscannen und genau informieren“.

„Kostenvergleich“

Hier (Link Website / Screenshot) stieß ich dann zunächst einmal auf einen „Kostenvergleich“ (Link hier / oder hier) unterschiedlicher Sanierungsmodelle: Eine Kalkulation zur geplanten großen Sanierung, eine zur einfachen Erneuerung der Stege und eine zu einem Alternativentwurf zur großen Sanierung mit weniger Kosten (alle natürlich ohne Quellenangabe und Belege). Entwürfe 2 und 3 werden von Ihnen aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Da keine Quellen angegeben sind, gehe ich davon aus, dass alle diese Entwürfe von der GWH bzw. der Gemeinde sind.
Spielen die Verfasser hier „Mensch ärgere dich nicht“ gegen sich selbst? Und möchten die Öffentlichkeit daran teilhaben lassen?

Warum?

Sicherlich hat das einen gewissen Unterhaltungswert, ist aber ohne Aussagekraft für die Sache.

Inhaltlich zu dem vorgelegten Kostenvergleich: In allen mir bisher bekannten Branchen sind selbst gröbste Kostenvorabschätzungen, die nur einen Bruchteil der hier anfallenden Kosten umfassen, bei weitem differenzierter als die hier vorgelegte.
Vielleicht aber ist diese Form simpelster Kostenvergleiche in Form eines Haufens unbelegter Zahlen wie auch Fake-Fakt-Bingo im Hafenbau üblich, was ich nicht beurteilen kann.
Der Betrachter, der dem Aufruf „Deshalb informieren Sie sich richtig“ gefolgt ist, darf sich allerdings schon an dieser Stelle weniger informieren, dafür umso mehr rätseln bzw. blindem Vertrauen hingeben.

Was im Weiteren wirklich erstaunt, ist Folgendes: Die jährlichen „Mehreinnahmen“ durch zusätzliche Liegeplätze steigen durch einen von den GWH angesetzten Inflationsausgleich erheblich. Die dagegen gesetzten „Unterhaltskosten“ aber bleiben gleich – und das über 40 Jahre.

Verdopplung der Einnahmen bei stagnierenden Ausgaben über 40 Jahre?

Ein Traum für jeden Selbständigen und eine geradezu revolutionäre betriebswirtschaftliche Herangehensweise. Es gibt Unternehmen und Menschen, denen unsere Gemeindevertreter mit dieser neuen Art betrieblicher Kalkulation gerade im Moment neue Hoffnung geben können.

Des Weiteren fällt auf, dass für die Hafensanierung anscheinend keine Kreditkosten anfallen. Auf der Internetseite des Amts Schrevenborn (Link hier/ Screenshot hier)  ist allerdings zu lesen, dass die GWH erst jüngst von einer GmbH in eine AöR umgewandelt wurden, denn: „Bei den anstehenden Investitionen zur Sanierung des Möltenorter Hafens und geplanter Erschließungsgebiete sind nach dem Wechsel der Rechtsform günstige kommunale Kreditkonditionen möglich, die eine GmbH als privates Unternehmen nicht erhält. So kann etwa bei einem angenommenen Kreditvolumen von 6,5 Millionen Euro bereits in den ersten zehn Jahren ein hoher sechsstelliger Betrag eingespart werden.“

Was bedeutet, dass für die Realisierung der Sanierungspläne erhebliche Kredite aufgenommen werden sollen. Wo sind die normalerweise hohen Kosten für laufende Kredite in der Planung?
Vielleicht verbergen sich die Kreditkosten hinter den schon erwähnten „Unterhaltskosten“ der Kalkulation?
Dann wären wir bei den angenommenen Baukosten und jährlichen Kreditkosten von 4511 € bei einem Zinssatz von unter 0,3 % – unter der Voraussetzung, dass keinerlei Tilgung geleistet wird. Und die schönen neuen Stege über 40 Jahre absolut wartungsfrei sind.

Sollte ich trotz der nur spärlich zur Verfügung gestellten Informationen hier richtig gerätselt haben?

Tilgungsfreie Kredite mit einer Laufzeit von 40 Jahren zu Zinssätzen von unter 0,3 % sind ebenfalls ein betriebswirtschaftlicher Traum, selbst für eine AöR.

Chronologischer Abriss der Hafenentwicklung des Fischereihafens Möltenort (Tabelle)

Ein zweiter „Beleg“ der „Fakt“-Liste soll der ebenfalls unter der Webadresse https://www.gwh.sh/hafenentwicklung/ aufzufindende stichwortartige chronologische Abriss der Ereignisse in Tabellenform sein (Link hier / oder hier).

Darunter Vorträge, Diskussion, Präsentation, Hafengespräch, Gemeinderatssitzungen und eine Vielzahl von „problemorientierten Gesprächen“. Ich habe, da ich die ganze Angelegenheit zunehmend interessant fand, in den letzten Wochen mit vielen Menschen gesprochen, die in dieser Liste als Gesprächspartner aufgeführt sind bzw. die die Ereignisse mitverfolgt haben. Darunter die Vorsitzenden der beiden Heikendorfer Segelvereine (HYC und MSK), die Betreiber der verschiedenen Sparten der Berufsschifffahrt im Hafen, der Gastronomie, der Yachtservice, private Hafennutzer, und viele mehr.

Den chronologischen Abriss präsentieren Gemeindewerke und Bürgermeister als Beweis ihrer guten Kommunikation über den gesamten Planungszeitraum.

Ausnahmslos alle meiner Gesprächspartner haben über eine praktisch nicht vorhandene, zumindest fragwürdige Gesprächskultur seitens der GWH und der Gemeinde in dieser Sache berichtet. Es sprengt den Rahmen dieses Artikels, alle Inhalte wiederzugeben, darum an dieser Stelle eine Zusammenfassung:

Angefangen mit einem Zitat aus dem Flyer: „So fanden seit 2017 zahlreiche Gespräche mit allen betroffenen Interessengruppen, Hafenliegern, Fischern, Gewerbetreibenden…“
Der Abriss dagegen beginnt erst im Februar 2018 mit einem Antrag der FDP auf Sanierung.
ALLE Gesprächspartner sagen: Von den bereits bestehenden Plänen hätten sie 2018 überhaupt nur zufällig erfahren.
Und weiter:  Die ersten Pläne seien vollkommen ohne vorherige Rücksprache mit den Betroffenen erstellt worden. Erst auf mehrfache Nachfrage habe man einen ersten Plan gezeigt.
Der war wohl eine technische Fehlplanung. Im ersten Entwurf waren die Wassertiefen nicht berechnet und die Pier an der Straße hätte nicht mehr angefahren werden können, weil die Zufahrt über den Flachwasser-Bereich folgen sollte. Die Fischer hätten so nicht mehr arbeiten können.
Der Schwell bei starkem Westwind (Hauptwindrichtung) war nicht berücksichtigt, hätte größere Schäden bei Segelschiffen verursacht. Allerdings wäre dem auf originelle Weise vorgebeugt worden. Denn viele Boote hätten gar nicht im Hafen gelegen: Das Kranen von Sportbooten wäre nicht möglich gewesen, der Platz dafür nicht eingeplant. Größere Schiffe wie die Mulligan, Berufsschiffe, Traditionssegler wären zwar in den Hafen rein-, aber nie wieder rausgekommen. Sie hätten keinen Platz zum Manövrieren gehabt.

Damit wären die Verfasser sicher ins Fernsehen gekommen.

Viele dieser technischen Probleme bestehen laut Aussage der Betroffenen noch heute.
Man hat in der Folge viele neue Planungsvarianten entwickelt, in denen jeweils, laut übereinstimmender Aussage der Beteiligten (Berufsschifffahrt, HYC, MSK), nur unzureichend auf technische Anforderungen eingegangen wurde. Dringende Belange der Berufsschifffahrt (Fischer, Bestattung, gewerbliche Fahrgastschiffe) wurden lange nicht erfüllt. Nach Aussage mehrerer Beteiligter, die einer größeren Sanierung grundsätzlich offen gegenüberstehen, sind die erfolgten Änderungen in den allermeisten Fällen nicht deswegen vorgenommen werden, weil die Hafennutzer sie im Eigeninteresse angemahnt hatten, sondern weil die Pläne grundlegende gravierende technische Schwächen aufwiesen. Noch in Entwurf 11 hatte beispielsweise der Eigner der Dana keine Möglichkeit im Hafen sicher an- und abzulegen und meinte, in den Hafen käme er „nur mit dem Hubschrauber“. Und auch beim aktuellen Stand der Planung ist es mehr als fraglich, ob eines der ältesten Passagierschiffe der EU diesen Hafen weiter nutzen kann.
Bis heute scheint das Problem der starken Wellenbildung bei stürmischen Winden aus West nicht gelöst zu sein, das zu Schäden bei aneinanderschlagenden Masten von Segelbooten führt. Ein Wellenschutz ist nicht vorgesehen, Fahrgassen sind zu eng, die Bedarfsplanung entspricht nicht diversen vorliegenden Gutachten. Weitere noch heute bestehenden technische Probleme wurden mir genannt, die Liste ließe sich fortführen. Das täte hier aber nichts zur Sache.

Denn an dieser Stelle stellt sich eine einfache Frage:
Wäre es nicht klüger und preiswerter gewesen, ZUERST mit den Nutzern des Hafens und Fachleuten zu sprechen und DANN Pläne zu entwerfen?
Nein? Weil es andere auch so machen?

Die von den Gemeindewerken mit so viel Stolz vorgebrachten 20 Planungsvarianten mit Kosten weit über 100.000 Euro (lt. Aussage eines Beteiligten) sehen von außen betrachtet nicht, wie sie gerne möchten, aus wie ein Ergebnis vorbildlicher Kommunikation, sondern wie ein Ergebnis miserabler Planung.

Einige dringende Forderungen scheinen schließlich berücksichtigt worden zu sein, vornehmlich die der Berufsfischer. Als mögliche Motivation wurde mir erläutert, die Gesetzeslage erlaube nur Berufsschiffern, gegen die Pläne rechtlich vorzugehen. Hier hat man also augenscheinlich zielgerichtet potentiell vor Gericht erfolgreiche Kritiker befriedet.
Viele Probleme scheinen weiter zu bestehen. Die sind nicht auf Einzelinteressen zurückzuführen, sondern grundsätzlicher Natur: Massive technische Planungsfehler, bedingt durch die große Enge bei 35 weiteren Liegeplätzen, fehlende Manövrierfähigkeit, Begeh-, Befahrbarkeit (Gehbehinderte, Rollstuhl) der großen Schwimmstege für Publikumsverkehr, ungelöste Probleme bei Hochwasser, Unwirtschaftlichkeit und weitere.

Auch wurde ich wiederholt und von unterschiedlichen Beteiligten darauf aufmerksam gemacht, dass an diesem touristisch zentralen Ort eine Baumaßnahme geplant ist, die dem Hafen eine Anmutung geben wird, wie man sie von der Marina in Wendtorf kennt. Da der Hafen Möltenort nicht nur das Ortsbild prägt, sondern sich auch in zentraler touristischer Lage befindet, läge eine Diskussion dieses Aspekts eindeutig im öffentlichen Interesse.

Nun war ich bei den angesprochenen Terminen und Sitzungen nicht selbst anwesend und kann nicht jede Aussage nachprüfen, aber: Die einhellig übereinstimmenden Aussagen von mehr als einem Dutzend Zeugen, darunter auch der Vorsitzenden beider Segelvereine (HYC und MSK), etlicher Berufsschiffer und Gastronomen, also vieler renommierter Heikendorfer Bürgerinnen und Bürger sind zumindest bemerkenswert.

Pläne seien zwar im späteren Verlauf vorgestellt und einzelnen augenfälligen Forderungen nachgekommen, aber Diskussionen seien wiederholt unterbunden worden, es hätte zwar irgendwann auch eine öffentliche Präsentation der Pläne gegeben, aber keine Aussprache, Anträge der Initiative gegen die Sanierungspläne seien willkürlich von der Tagesordnung genommen, Gemeinderatsmitglieder hätten sich in Sitzungen überraschend für nicht zuständig erklärt (man solle sich an den Aufsichtsrat der GWH wenden), Sitzungen wurden nach Belieben abgebrochen. Viele Anfragen, Briefe, Schreiben, Hinweise, Nachfragen, berechtigte Einwände an die Gemeinde und Gemeindewerke, die mir vorgelegt worden sind, sollen einfach nicht beantwortet bzw. ignoriert worden sein und das über Jahre.

Größtenteils Kritikpunkte und Schreiben, die den Verantwortlichen bekannt sind und ihnen auch vorliegen.

Nun wurde mir persönlich von einem Gemeinderatsmitglied mitgeteilt, die GWH wären der Öffentlichkeit rechtlich gesehen keine Rechenschaft schuldig und könnten ihre Pläne nach Belieben umsetzen.
Das hätten sie auch herzlich gerne tun können, aber mir dann eine solche Broschüre ins Haus zu schicken, widerspricht dieser Aussage erstens grundsätzlich und zweitens sind Form und Inhalt inakzeptabel. Dafür sind die GWH dann sehr wohl Rechenschaft schuldig.

Selbst ein in Auftrag von Herrn Wolfgang Merkel erstelltes ausführliches Gutachten (Link hier), das nun von jedem/r interessierten Bürger/in eingesehen werden kann, wurde nie kommentiert. Angefertigt wurde es von Diplom-Holzwirt Dr. André Peylo, der von der IHK Lübeck öffentlich bestellt und vereidigt ist. Hier wird nachvollziehbar der Zustand der einzelnen Pfähle des Hafens gezeigt und beschrieben.
Auch wenn man kritisch liest, augenfällig ist sofort: Es ist ungleich differenzierter als alles, was von Gemeinde und GWH vorgelegt worden ist und arbeitet dankenswerterweise nicht mit Behauptungen ohne Quellenangabe, sondern mit Schlussfolgerungen, die auf der Grundlage nachvollziehbarer Belege gemacht werden. Dank dieses Gutachtens weiß ich nun viel über Herkunft, Geschichte, verschiedene Gütephasen und Qualitätsmerkmale von Bongossi-Holz, das in Hinsicht auf Haltbarkeit und Umweltschutz einige Vorteile im Vergleich zu dem von den GWH geplanten Betonbau (Haltbarkeit / Umweltaspekte) zeigt. Nicht einmal die Fraktion der Grünen mit der Kernkompetenz Nachhaltigkeit und Umweltschutz hat diese Informationen bis jetzt thematisiert. Ich kann die Lektüre dieses Gutachtens jedenfalls wärmstens empfehlen. Ein interessantes Thema, wenn man die Neugier dafür mitbringt. Ich empfehle diese Neugier besonders dann, wenn man in diesem Thema entscheidungsberechtigt ist.
Nach Aussage von Herrn Merkel wurde es, wie gesagt, nie von den Verantwortlichen kommentiert oder Fragen dazu beantwortet. Das ist erstaunlich, denn immerhin wird darin nachvollziehbar festgestellt, dass die Pfähle zum größten Teil in sehr gutem Zustand und bis zu 40 weitere Jahre haltbar sind. Die GWH dagegen behaupten (meines Wissens nach bisher ohne Vorlage eines Gutachtens), die Pfähle seien nicht sanierungsfähig. Diese Behauptung ist aber die hauptsächliche Grundlage Ihrer Pläne.
Aus meiner Sicht wäre hier doch zumindest eine Stellungnahme angeraten (gerne mit Belegen).

Auf Grundlage des erwähnten Gutachtens gibt es inzwischen eine alternative, deutlich preiswertere Ausbauvariante und Kostenkalkulation.

Zwei der Gesprächspartner, die im Thema weitaus kundiger sind als ich, erläutern mir mit Belegen nachvollziehbar, dass Ihre (GWH) geplante Sanierung wirtschaftlich fragwürdig ist, viele zu erwartenden Probleme (z.B. Umwelt, Aufwirbelung von Gift- und Ölablagerungen) zudem nicht berücksichtigt sind. Ein Umweltgutachten, sofern denn von der GWH eines erstellt worden ist, wurde ebenfalls bis heute nicht vorgelegt, entsprechende Anfragen nicht beantwortet.

Ich wage nicht, zu beurteilen, welches Konzept nun sinnvoller oder besser ist, eines wird aber jedem Betrachter, der sich intensiver in die Materie einarbeitet, sofort klar:

Die zur Verfügung gestellten Unterlagen der Kritiker sind im Gegensatz zu den von offizieller Seite vorgelegten vor allen Dingen eines: Nachvollziehbar und glaubwürdig.

Darüber hinaus muss es wundern, dass Herrn Merkel 3 Tage nach dem Abschicken einer anwaltlich abgestimmten Kritik an der vermeintlichen Informationsbroschüre „Fakten zur Zukunftsplanung“ der Liegeplatz gekündigt wird (Kündigung liegt vor). Ist das Teil der im Flyer so vehement behaupteten guten Kommunikation?

Weiter kann man im chronologischen Abriss der Hafensanierung lesen, dass die Firma ITT Port Consult bei mehreren Abstimmungen anwesend war. Im Zusammenhang sind die stichwortartigen Informationen dieser Liste für mich so zu verstehen, dass die Firma berechtigt war, über ihre eigenen Pläne mit abzustimmen? Ich weiß nicht, welchen Sinn das ergeben soll.

Im Übrigen wundert mich der Weg, wie die Gemeindewerke zu einer Zusammenarbeit mit der ITT Port Consult gekommen sind. Wenn sie in ihrer Broschüre schreiben: „Um ein fundiertes Konzept erstellen zu können, wurden geeignete Ingenieurbüros in Hamburg und Schleswig-Holstein angefragt. Aufgrund der guten Referenzen fiel die Wahl auf ITT Port Consult in Laboe.“

Hatten die anderen „geeigneten Ingenieurbüros“ keine guten Referenzen? Wo sie doch „geeignet“ waren? Wenn nicht wegen ihrer Referenzen, weswegen dann?

Und vor allem: Kosten spielten keine Rolle? Keine Ausschreibung? Keine Vergleichsangebote?

 

Chronologischer Abriss der Hafenentwicklung des Fischereihafens Möltenort (Planungsversionen)

Dies ist der dritte „Beleg“ (Link hier / oder hier), den die Gemeindewerke zur Verfügung stellen. Inwiefern die Varianten für einzelne Hafennutzer alltagstauglich sind oder nicht, können andere besser beurteilen. Dass es zugunsten von 35 neuen Liegeplätzen mächtig eng wird für alle, ist ersichtlich.

Was allerdings für die Bürgerinnen und Bürger, wie bereits oben angedeutet, wichtig wäre: Eine möglichst realitätsnahe Visualisierung. Denn die Frage ist: Bleibt der Charakter des Hafens erhalten oder verändert er sich? Wenn er sich verändert, wie? Haben wir dann in zentraler touristischer Lage eine Marina, die niemand besuchen mag, es sei denn, er muss nun unbedingt zu seinem Boot? Das ist eine Frage, deren Beantwortung sehr wohl im öffentlichen Interesse liegt.

Oder bleibt die besondere Hafenatmosphäre in zentraler Lage, vielleicht auch in neuer, attraktiver Form?

Wie auch immer: Einen Versuch, den Bürgerinnen und Bürgern dahingehend eine wie immer geartete Unterstützung / Vorstellung zu geben, ist nicht zu erkennen.

Fazit

Unterm Strich kann ich feststellen, dass der als Informationsbroschüre getarnte Werbeflyer zwar keine einzige Sachfrage beantwortet hat, dafür aber unzählige aufgeworfen.

Und die Antworten?

Vielleicht wäre es möglich, einen zweiten Flyer zu drucken, der uns Bürgerinnen und Bürgern dann nicht nur die Möglichkeit verspricht, uns zu informieren, sondern dies auch einhält. Vielleicht wäre es eine Idee, wenn Bürgermeister und Gemeindwerke diesen Flyer aus privatem Budget bezahlen? Die Angelegenheit hat nämlich einen weiteren Aspekt:

Sollten diese Art der Kostenschätzungen, Ausgabenpolitik, Projektplanungen, Fake-Fakt-Bingo, Auftragsvergaben und fragwürdige Kommunikation auch die Unternehmenskultur der Gemeindewerke Heikendorf AöR widerspiegeln, scheint es angeraten, dass wir einen genaueren Blick auf Ihre Abrechnungen zu unseren Nebenkosten zu werfen. Die ständigen Beteuerungen, man sei im Vergleich zu Mitbewerbern so transparent und preiswert, sind eine Überprüfung wert.

Nun gehe ich davon aus, dass die weitreichenden Beraterkosten, Anwaltskosten, Gutachten, Planungskosten, Werbung und weitere Kosten nicht aus Gemeindemitteln, sprich Steuergeldern, bestritten werden. Dann aber werden sie notwendigerweise von den GWH getragen. Auch mit einem Blick auf die Seriosität der Kostenschätzung für die Hafenerweiterung muss ich feststellen, dass mein Vertrauen zu den GWH gelitten hat.

In diesem Zusammenhang würde der persönliche finanzielle Einsatz der Verantwortlichen bei der Erstellung eines zweiten, informativeren Flyers sicherlich auf positives Echo stoßen. Vielleicht sollte man diese zweite Broschüre auch mit einer Entschuldigung für die erste beginnen.

Dies ist aber nur ein Vorschlag im Sinne der von Henry Ford angemahnten konstruktiven Zusammenarbeit. Wie ich höre, kommt vielen Betroffenen die Verwendung des folgenden Zitats in Ihrem Flyer angesichts ihrer erlebten Realität wie der blanke Hohn vor:

„Zusammenkunft ist ein Anfang.
Zusammenhalt ist ein Fortschritt.
Zusammenarbeit ist der Erfolg.“

Der selige Mister Ford soll sich schon länger in Höchstgeschwindigkeit im Grabe drehen. Er will nicht länger für Werbezwecke missbraucht werden, wird dies aber ständig, wie man schnell ergoogeln kann.

Mich persönlich würde es als Bürger der Gemeinde Heikendorf freuen, wenn uns Herr Lüdemann und Herr Peetz in einem nächsten Flyer tatsächlich die Möglichkeit geben, uns ausgewogen und sachgerecht zu informieren – was ja auch ihr formuliertes Anliegen ist – indem sie verschiedene Sanierungsmodelle mit den entsprechenden Nachweisen und nachvollziehbaren Kalkulationen nebeneinanderstellen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich selbst ein Bild zu machen – ohne ihnen ihres aufzuzwingen. Wenn ihre persönliche Sichtweise/Argumentation dann auch als solche gekennzeichnet und mit entsprechend glaubwürdigen Belegen unterfüttert wird, werde ich ihr bestimmt folgen können. Aufgebauschte Fake-Fakt-Listen ohne Quellenangaben, Worthülsen und Zitate ehrbarer Größen der Vergangenheit sind dann auch nicht mehr notwendig.

Dann wirkt die Kraft der Wahrheit von allein.